Lüpfig und fröhlich

Im Züripiet dihei

Lüpfig und fröhlich

Seit mehr als 40 Jahren tritt das Senioren-Orchester Zürich auf – endlich auch nach Corona wieder. In die Freude mischen sich Sorgen: gesucht wird ein neues Probelokal. 

Konzentriert, ganz versunken in ihre Musik, proben die Mitglieder des Seniorenorchesters für ihre nächste Aufführung – endlich wieder nach Corona. Es tönt lüpfig und frisch, manchmal auch ein wenig schräg. Dirigent Hansjörg Weltin unterbricht und klärt mit den Musikerinnen und Musikern, wo das Staccato genau hingehört. Bald ist man sich einig, bringt die Instrumente wieder in Stellung und weiter geht’s im Takt. 

Nach der Probe versorgt Giuseppe Scolaro sein Altsaxophon sorgfältig im Instrumentenkoffer. «Ich habe 40 Jahre in der Höngger Blasmusik gespielt», erzählt er. «Als ich pensioniert wurde, wollte ich etwas kürzertreten. Hier im Seniorenorchester proben wir am Nachmittag, nicht am Abend. Wir haben weniger Auftritte. Es ist etwas gemütlicher und doch machen wir tolle Musik.» Cécile Haas hat jahrelang im Orchester der reformierten Kirchgemeinde Albisrieden gespielt. «An Weihnachten und Ostern waren wir regelmässig in der katholischen Kirche St. Konrad.» Als das Orchester aufgelöst werden musste, hat sie ins Seniorenorchester gewechselt. «Musik tut einfach gut!», sagt sie. «Wenn ich spiele, vergesse ich alle Sorgen.» Natürlich merke auch sie die Schulter, wenn sie zu lange den Bogen über ihre Viola streichen lässt. Und die Finger beginnen auch zu schmerzen. Aber solange es irgendwie geht, will sie weitermachen: «Die Musik ist so beglückend, eine wunderbare Abwechslung im Alltag», schwärmt die 80-Jährige. 

Nach der Probe setzt sich der Vorstand des Vereins «Seniorenorchester» kurz zusammen. Der 88-jährige Dirigent Hansjörg Weltin findet: «Nach neun Monaten Zwangspause hat das Zusammenspiel schon gelitten.» Vizepräsidentin Marta Dubs bestätigt: «Auch die Stücke, die wir fest im Repertoire haben, laufen nicht mehr so super.» Aber alle sind zuversichtlich, dass das mit den regelmässigen Proben wiederkommt. 

Dass diese Proben wieder möglich sind, war nicht nur wegen Corona ungewiss. «15 Jahre lang haben wir – gratis – im Saal von St. Felix und Regula proben können», sagt Präsident und Cellist Ralph Brem. «Wegen des bevorstehenden Umbaus mussten sie uns kündigen.» Das hat dem 81-jährigen Präsidenten schlaflose Nächte bereitet. Für sein heimatloses Orchester musste er in kurzer Zeit einen neuen Proberaum finden. «Mindestens 20 Institutionen habe ich angefragt», erzählt er, und sei bei jeder Absage ein wenig mehr verzweifelt. «Viele Kirchgemeinden geben ihre Räume nicht mehr gratis ab oder haben keinen Platz. Schulen wollten ihre Räume in den Ferien nicht zur Verfügung stellen – wo wir aber auch proben müssen.» In letzter Minute habe die reformierte Kirche Hard ihren Saal zur Verfügung gestellt – allerdings nur vorübergehend bis Ende Oktober. Aber Brem hofft schwer, dass die Zusage verlängert wird. 

Denn einen Saal mieten kann das Orchester nicht. Kassier Wendelin Züger erklärt: «Wir erheben keine Mitgliederbeiträge, wir leben von unseren Konzertgagen. Das genügt fürs Notenmaterial und für eine kleine Entschädigung des Dirigenten.» Züger spielt Tenorhorn, mit 76 Jahren braucht man da ganz schön viel Schnauf. «Ich muss einfach immer üben, dann geht es», meint er. Der Präsident ergänzt: «Wenn wir genug Geld haben, machen wir pro Jahr einen Tagesausflug mit Partnern und Partnerinnen, spielen ein Konzert und bekommen ein feines Essen. Das ist immer schön und macht allen viel Freude.» 

Überhaupt sei die Kameradschaft wichtig, findet Dirigent Weltin. Und die Freude am Musizieren: «Musik ist alles für mich!», sagt Vize-Dirigent Walter Zanconato. Er spielt Klarinette und tritt auch mit einem Quartett auf. «Zudem: Musizieren ist gut fürs Hirn!», lacht Weltin. Er hofft, dass wieder einige neue Hobby-Musikerinnen und -Musiker das Orchester bereichern. «Wir waren mal rund 30 Leute, nun nur noch 20», bedauert er. «Wer allerdings nur klassische Musik liebt, kommt bei uns etwas zu kurz. Wir spielen Märsche, Polka, Walzer, Tangos, Songs, Evergreens und leichte Klassik: wie es unsere Zuhörerinnen und Zuhörer mögen.» 

Auch das Durchschnittsalter sei von 75 auf 80 Jahre gestiegen. «Lange Zeit war ich die jüngste», erzählt Vizepräsidentin Marta Dubs, die schon vor ihrer Pensionierung im Seniorenorchester mitgespielt hat. Nun ist sie 74, aber ungebrochen umtriebig und voller Tatendrang, computergewandt und engagiert. «Wir gelten unter dem Dach von Pro Senectute als ‹Selbstorganisierte Gruppe›», erklärt sie. So wie die Seniorenbühne auch. «Früher gab es noch mehr solcher selbstorganisierter Gruppen», erinnert sich Brem. «Damals hat Pro Senectute jeweils Vernetzungstreffen organisiert.» Doch das sei heute vorbei, sie hätten nur noch ein Gratisinserat pro Jahr in der Pro-Senectute-Broschüre zugut, finanzielle Unterstützung gabs früher so wenig wie heute. 

«Wollen wir nun die Polka spielen am nächsten Konzert?» Der Vorstand berät nochmals das Programm, das nächste Woche geübt werden soll – das letzte Wort spricht aber das ganze Orchester. Denn das Zusammenspiel ist nicht nur in der Musik wichtig. 

Text: Beatrix Ledergerber