1. Startseite
  2. Region
  3. Hochtaunus

Tabus in der Kirche beseitigen: Limburger Bischof Bätzing fordert mehr Transparenz

KommentareDrucken

Limburgs Bischof Dr. Georg Bätzing ist zu Gast beim Lion Club in Bad Homburg. Hier fordert er, Tabus in der Kirche zu beseitigen.

Bad Homburg – Kirchlicher Macht fehlt es nach den Worten von Limburgs Bischof Dr. Georg Bätzing an wirksamer Kontrolle. „Dass Missbrauch in diesem Umfang Platz greifen konnte, hat seine Ursache in nicht kontrollierter Macht“, führte der Oberhirte von mehr als einer halben Million katholischer Christen während eines Gesprächsabends des Lions Clubs in Bad Homburg (Hochtaunuskreis) aus. Und gewiss auch in fehlender Transparenz. Kontrolle von Macht und Rechenschaft abzulegen über das eigene Handeln, das stand unausgesprochen hinter den Worten des Theologen, liegt sowohl im Interesse derer, die Macht ausüben, als auch der gesamten Institution Kirche.

Machtstrukturen auf allen Ebenen der hierarchisch tief gestaffelten Organisation zu ändern, nannte Bätzing, der nicht in seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz auftrat, ein wichtiges Ziel des „Synodalen Wegs“. Das berge freilich „ganz erheblichen Konfliktstoff mit Rom“, zeigte er im Kronenhof Grenzen der Spielräume der deutschen Bischöfe auf. Gleichwohl gelte es, die Ursachen innerhalb der kirchlichen Organisation ausfindig zu machen, die „erschütternde und belastende“ Geschehnisse in diesem Ausmaß begünstigt hätten, führte Bätzing aus. „Wir brauchen eine Umkehr der Perspektive.“ Erst im Gespräch mit „Überlebenden“ von Missbrauch werde deutlich, „wie schwer ein Leben mit solchen Verwundungen“ sei. Daher hätten sie jedes Recht, gehört zu werden.

Limburgs Bischof Georg Bätzing.
Limburgs Bischof Georg Bätzing. © dpa

Bischof Bätzing über Tabus in der Kirche: Nachholbedarf beim Thema Frauen und Transparenz

Um „Überlebende“ und Täter ausfindig zu machen, haben die 27 Bistümer laut Bätzing rund 40000 Personalakten von 1949 bis 2013 zur Verfügung gestellt. „Mit der Aufarbeitung der Vergangenheit sind wir noch lange, lange nicht fertig“, unterstrich der Geistliche, der seit 2016 den Limburger Bischofsstuhl innehat. Deutlich geworden sei ebenfalls, „dass die vermeintlichen Glanzzeiten der Kirche auch die Zeit des größten Missbrauchs“ gewesen seien.

Seit dem „Scheidedatum 2010“, als die Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich wurden, habe die Kirche viel für Schutz und Vorsorge getan, sagte der Bischof. Dazu zähle eine veränderte Kultur, die Geschehnisse aus der Sicht der betroffenen Menschen wahrnehme und keinen Täterschutz betreibe. „Wenn das Desaster innerhalb der Kirche dazu führen würde, dass sich die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung verändert, dann hätten wir einen Dienst getan.“ Bätzing sieht „erheblichen Nachholbedarf“ beim Thema Frauen in der Kirche.

Tabus in der Kirche beseitigen: Bischof Bätzing fordert Offenheit gegenüber Homosexualität

Er plädierte dafür, „Frauen perspektivisch einen Zugang zu sakramentalen Ämtern“ zu geben, also sie zu Diakoninnen und Priesterinnen zu weihen. „Männergesellschaften entwickeln mit der Zeit bündische Strukturen. Wenn Frauen in Entscheidungspositionen mitwirken, verändert sich die Kultur des Gesprächs und der Entscheidungsfindung“, unterstrich er. Bätzing merkte kritisch an, dass sich im Vatikan mehrere historische Kommissionen mit einem Thema beschäftigen, „das nicht rückwärts, sondern vorwärts“ beantwortet werden müsse.

Zu den „vielen Hausaufgaben“ zählte der Referent auch, „die katholische Morallehre so zu verändern, dass sie Vielfalt spiegelt“. Das bedeute, sexuelle Orientierungen und Identitäten anzuerkennen und „Tabus, besonders in Richtung der Homosexualität“ zu beseitigen. Das könne die deutsche Kirche nicht im Alleingang lösen. „Papst Franziskus weiß jedoch sehr genau, wo er Türen öffnet, die nachher keiner mehr zubekommt.“ Rückläufig sind die Zahlen der Mitglieder nach wie vor in Europa, während sie in Asien und Lateinamerika stagnieren und in Afrika stark ansteigen. Zwar sei auch das Thema Missbrauch ursächlich. Kirche werde hierzulande jedoch „nicht mehr als einziger Rettungsanker wahrgenommen, Menschenwürde zu erfahren sowie Kultur und Bildung zu erleben“, skizzierte der Limburger Oberhirte die Situation. Es ergehe den christlichen Kirchen nicht anders wie anderen großen Organisationen: Nährböden brechen weg, Glaube geht auch ohne die Institution Kirche.

Bischof Bätzing will Tabus in der Kirche beseitigen und Transparenz schaffen: „Keine autoritären Formen“

Bätzing nahm außerdem die Themen Finanzierung der Kirchen in Deutschland und die staatlichen Ausgleichzahlungen für enteignetes Kirchenvermögen aus der Napoleonischen Zeit auf. Dazu gebe es langwierige Verhandlungen über einen letztmaligen Abschlag. Nachdrücklich sprach er sich dafür aus, Freiheit zu erhalten und zu schützen. „Autoritäre Formen sind nicht die bessere Lösung“, unterstrich Bätzing. Auf Dauer entstehe Zusammenhalt nur mittels Beteiligung. „Gute Argumente wirken besser als direktives Verhalten.“ (Ulrich Boller)

Die Sauer-Orgel in der Erlöserkirche in Bad Homburg pfeift aus dem letzten Loch.

Auch interessant

Kommentare