Antwort von Anikó Merten (FDP) auf den Offenen Brief des Jugendrings Braunschweig zum Thema “Klimaschutz endlich ernst nehmen!”

Betreff: Klimaschutz endlich ernst nehmen!

Liebe Mitglieder des Jugendring Braunschweig e.V.,

zunächst möchte ich Euch für Euren Einsatz beim Klimaschutz und für Eure Nachricht an mich und meine Kollegen recht herzlich danken.

Der gesamtgesellschaftliche Umgang mit dem Klimawandel stellt uns als Politik, als Individuen und als globale Gesellschaft zweifellos vor eine der größten politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Ich persönliche mache mir entsprechend keine Illusionen über die immense Tragweite der Thematik. Als neu ernanntes Mitglied des am 15.12.2021 gegründeten Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie bin ich in der verantwortungsvollen Position, mich eindringlich mit diesem sehr wichtigen Thema zu beschäftigen. Darüber freue ich mich sehr und möchte gerne anbieten, mit dem Jugendring Braunschweig e.V. auch in Zukunft im Austausch zu bleiben.

Im Folgenden möchte ich gerne auf die zentralen Forderungen aus Eurem Brief im Einzelnen eingehen. Zur besseren Übersicht habe ich mir dazu erlaubt, meine Antwort nach Themenbereichen zu gliedern:

Festschreibung eines CO2-Budgets:

Im Kern geht es um zwei unterschiedliche, voneinander abgegrenzte Systeme. Auf der einen Seite gibt es den Budgetansatz, der beinhaltet, dass sich die Staatengemeinschaft auf eine Obergrenze für die noch zu emittierende Menge an CO2 einigt. Das Budget wird dann auf Grundlage der Einwohnerzahl auf die einzelnen Staaten aufgeteilt. Auf der anderen Seite existiert das für die internationale Klimapolitik maßgebliche Pariser Abkommen, zu dem wir uns ausdrücklich bekennen und das einen anderen Ansatz verfolgt: Die Vertragsstaaten müssen der Verpflichtung nachkommen, jeweils eigene Minderungsziele zu beschließen und regelmäßig nach zu schärfen. Die europäische Klimapolitik orientiert sich weitestgehend daran, Treibhausemissionen länderübergreifend so kostengünstig wie möglich zu reduzieren, weshalb es folgerichtig ist, ein gemeinsames EU-Klimaziel auszugeben. Warum wir ein nationales CO2-Budget nicht für zielführend halte, hat mein Kollege Dr. Lukas Köhler hier ausführlicher begründet: https://www.lukaskoehler.de/warum-ein-nationales-co2-budget-dem-klimaschutz-nicht-hilft-acht-antworten-auf-acht-haufig

Thema Verkehrswende:

Wir als FDP-Fraktion wollen den ÖPNV ebenfalls stärken. Die wichtigste Veränderung, die stattfinden muss, ist die Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf den Verkehrssektor: Ein einheitlicher CO2-Preis ist Grundlage für das Gelingen der Verkehrswende. Die Organisation des Straßenpersonennahverkehrs (ÖSPV) erfolgt auf kommunaler Ebene im Rahmen von Ausschreibungen neben der Prüfung der persönlichen und fachlichen Eignung wesentlich nach ökonomischen Kriterien. Daher muss es einen starken wirtschaftlichen Anreiz geben, auf emissionsfreie Antriebe zu wechseln. Abgesehen davon müssen die Rahmenbedingungen für ein effizientes Handeln der Aufgabenträger gesetzt werden. Dazu gehört unter anderem die Etablierung umfassender Verkehrskonzepte insbesondere auch im ländlichen Raum, durch die ÖPNV und Individualverkehr aufeinander abgestimmt werden, damit Umsteigen attraktiv wird. Digitale Verkehrsleitsysteme fördern flexibles Mobilitätsverhalten, vermeiden Stau und senken die Umstiegshürden. Sharing Economy senkt den Ressourceneinsatz des Individualverkehrs und CO2. Dynamische Mobility-Pricing-Modelle unterstützen die Internalisierung weiterer unerwünschter externer Effekte und fördern den Umstieg auf ÖPNV. In jedem der genannten Fälle gewährleistet ein starker CO2-Preis als Leitinstrument, damit entlang der gesamten Beförderungskette CO2 effizient vermieden wird. Im Fahrrad sehen wir ebenfalls einen umweltfreundlichen Verkehrsträger für die individuelle Fortbewegung. Bei der Verkehrsplanung müssen die Bedürfnisse des Radverkehrs umfassend berücksichtigt werden. Ziel sind mehr sichere Radwege und Radfahrstreifen, die Konflikte mit dem motorisierten Verkehr vermeiden.

Thema Erneuerbare Energien:

Bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien müssen komplexe Wechselwirkungen, wie die Vermeidung von Lastschwankungen, die nachhaltige Finanzierung und Flächenkonkurrenzen sowie Bevölkerungsakzeptanz bedacht werden. Mit dem Ziel bis 2030 80 Prozent des Bruttostrombedarfes aus erneuerbaren Energien zu decken, haben wir uns gemeinsam mit SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bereits einem sehr ambitionierten Vorhaben verschrieben. Die Ausbauziele für erneuerbare Energien sind aus unserer Sicht so ausgestaltet, wie es notwendig ist, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür haben wir im Koalitionsvertrag die richtigen Weichen gestellt. Insbesondere brauchen wir eine massive Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für neue Erzeugungsanlagen und Netze. Neben dem Ausbau der Windenergie, setzen wir uns u. a. für eine konsequente Nutzung von Dachflächen für Photovoltaik ein und wollen die Kapazitäten für Offshore-Wind in Nord- und Ostsee auch in Kooperation mit unseren europäischen Nachbarn deutlich steigern. Herausforderungen wie z.B. der Zubau an weniger windhöffigen Standorten oder mögliche Abschattungseffekte erfordern innovative technische Lösungen.

Thema Verbotspolitik/ engagierte Klimapolitik:

Mit dem Koalitionsvertrag haben wir das wirksamste und ehrgeizigste Klimaprogramm weltweit vorgelegt, mit dem die Erreichung des 1,5 Grad Ziels möglich ist. Wir sind uns, genauso wie Ihr, der Wichtigkeit des Klimaschutzes bewusst und werden ambitioniert an der Zielerreichung arbeiten.

Eine ideologisch motivierte Klimaschutzpolitik, die zu De- Industrialisierung und Wohlstandsverlusten führt, lehnen wir ab. Verbote und Maßnahmen, die zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten und schwerwiegendsten sozialen Folgen führen und mit Sicherheit dazu, dass Deutschland international ein abschreckendes Beispiel und kein Vorbild beim Klimaschutz ist, halten wir nicht für zielführend. Einen echten Beitrag zum Klimaschutz können wir nur leisten, wenn wir die Emissionen bei uns verlässlich mit dem klaren und extrem ambitionierten Ziel der Klimaneutralität 2045 senken und parallel die Energiewende in viele anderen Länder insbesondere im globalen Süden unterstützen.

Auf dem Weg dahin wird der Emissionshandel eine zentrale Rolle spielen. Durch ihn wird ein Anreiz für Investitionen in klimafreundliche Technologien geschaffen und die Möglichkeit geboten, Emissionen dort einzusparen, wo es ökonomisch am sinnvollsten ist. Dass der Emissionshandel wirkt, zeigt sich bereits in der Energiewirtschaft und in Teilen der Industrie, die bereits in das EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) integriert sind. Um die positive Klimaschutzwirkung des Emissionshandels weiter auszubauen, werden wir uns auf europäischer Ebene engagiert für die Etablierung eines zweiten ETS für die Bereiche Wärme und Mobilität einsetzen. Um die sozialen Kosten, die mit der CO2-Bepreisung einhergehen, abzumildern, soll in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten ein sozialer Ausgleich stattfinden. Das übergeordnete Ziel ist es, in den 2030er Jahren ein einheitliches EU-Emissionshandelssystem über alle Sektoren hinweg zu schaffen – ein wichtiger Schritt, um der europäischen und internationalen Perspektive des Klimaschutzes gerecht zu werden und perspektivisch ein globales Emissionshandelssystem mit einheitlichem CO2-Preis umsetzen zu können.

Jede und jeder von uns steht in der Verantwortung mit unseren Ressourcen gewissenhaft umzugehen. Sehr viele Menschen sind sich dieser Tatsache bewusst und leisten heute wo sie es nur können ihren individuellen Beitrag. Doch der Klimawandel ist bei weitem kein individuell lösbares Problem. Er ist auch kein Problem, das die Bundesrepublik für sich lösen kann. Gute Klimapolitik muss alle staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen in die Transformation hin zu klimafreundlichem Handeln einbeziehen – vom Individuum, über die Kommunen und die Städte bis hin zur internationalen Staatengemeinschaft. Es ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam als Partner bewältigen können. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund, weiß ich das politische Engagement des Jugendring Braunschweigs e.V. sehr zu schätzen und möchte hier gerne über die Legislaturperiode im Austausch bleiben.

Zusammen mit meinem Abgeordnetenkollegen Herrn Dr. Christos Pantazis möchte ich Euch deshalb zu einem gemeinsamen Gesprächstermin (entweder digital oder persönlich vor Ort) in meinem Braunschweiger Abgeordnetenbüro einladen. Meine Wahlkreismitarbeiterin Frau Lünsdorf unterbreitet Euch im neuen Jahr dazu gerne einen Terminvorschlag. Darüber hinaus möchte ich mich für die Einladung zur Podiumsdiskussion “Klimapolitik der neuen Bundesregierung – 100 Tage nach Amtsbeginn” Ende März/ Anfang April herzlichen bedanken. Wenn es sich terminlich einrichten lässt, möchte ich auch hier gerne wieder teilnehmen.

Bis dahin verbleibe ich mit guten Wünschen für das neue Jahr!

Mit besten Grüßen

Anikó Merten MdB

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Anikó Merten, MdB
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