Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den Impfstoff von Biontech und Pfizer jetzt auch für Kinder zwischen fünf und elf Jahren zugelassen. Eine Empfehlung der Ständigen Kommission, kurz Stiko, steht noch aus. Spezielle Impfstoffdosen für 5- bis 11-Jährige sollen ab dem 13. Dezember verfügbar sein. Viele Eltern fragen sich jetzt: Soll ich mein Kind gegen Covid-19 impfen lassen? Wir haben auf Instagram Fragen von Eltern zu diesem Thema gesammelt und sie dem Chefarzt der Kinderklinik Worms gestellt.
Alle Antworten von Markus Knuf, Chefarzt Kinderklinik Worms
Ist es medizinisch wirklich nötig, kleine Kinder zu impfen?
»Es gibt Kinder mit chronischen Erkrankungen der Atemwege, neurologisch kranke Kinder, Kinder mit angeborenen Herzfehlern, onkologisch kranke Kinder und so weiter. Für die ist so eine Impfung durchaus sinnvoll, weil zu befürchten ist, dass sie durch eine Sars-Cov2-Infektion schwere Komplikationen erleiden.«
Können auch immunschwache Kinder geimpft werden?
»Naja, gerade Immunschwache sollten geimpft werden. Das Risiko ist, in Anführungszeichen, dass die Impfantwort, also der Impferfolg vielleicht verringert ist. Aber es ist allemal besser, mit einem verringerten Impferfolg, einer etwas schwächeren Antikörperantwort und Stimulation des zellulären Immunsystems sich einer möglichen Sars-Cov-2-Infektion zu widmen, als ungeschützt krank zu werden.«
Ist es notwendig für die Kinder selbst oder nur zum Bekämpfen der Pandemie?
»Ich finde, wir wären sehr, sehr, sehr viel weiter, wenn sich alle Erwachsenen impfen lassen würden, weil Kinder untereinander sich ja anstecken, das wissen wir, aber eben nicht sehr schwer krank werden. Dann würden wir von einer natürlichen Durchseuchung sprechen, wie das bei anderen Infektionskrankheiten auch der Fall ist, gegen die wir nicht impfen. Wenn Sie sich jetzt bitte Neugeborene vorstellen, die vor zwei Jahren geboren worden sind: Die denken, dass Menschen so ein weißes Ding im Gesicht haben. Also Mimik, Gestik, all diese Dinge erlernen wir ja durch Zuschauen im Neugeborenen- und Säuglingsalter. Und wenn das ganze Umfeld auf einmal vermummt ist und auch gar nicht mehr sichtbar ist, dann hat das eklatante Folgen für die Entwicklung der Kinder. Das ist überhaupt nicht zu bestreiten. Deswegen ist der Punkt »Wie kommen wir aus der Pandemie heraus«, notfalls auch mit Impfungen, schon ein sehr relevanter, auch für kleine Kinder. Aber zuallererst erst mal bei den Erwachsenen.«
Wurde der Impfstoff an Kindern getestet? Wenn ja, an wie vielen und in welchem Alter?
»Der wurde natürlich an Kindern untersucht, in der Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen. Und das sind bei solchen Zulassungsstudien immer um die tausend Kinder je Arm, also 2000 Kinder in der Studie. Also es sind keine Untersuchungen mit Millionen Dosen, das muss man schon sagen. Aber um wesentliche unerwünschte Ereignisse zu erfassen, ist das auch im Zusammenspiel mit den Daten, die man erhoben hat im Vorfeld, in sogenannten Phase-Zwei-Studien und bei Kindern und Jugendlichen, die den Erwachsenenimpfstoff bekommen haben, eine ausreichende Anzahl, um den Impfstoff zu bewerten, aber keine ausreichende Anzahl an Probanden, um über alle Zweifel erhaben jede Frage zu unerwünschten Wirkungen und auch Langzeitfolgen zu beantworten.«
Was sind die Risiken der Impfung?
»Die Risiken sind im Prinzip vor allen Dingen an der Einstichstelle zu sehen, Rötungen, Schwellungen und auch eine Entzündungsreaktion. Es ist ein relativ reaktogener Impfstoff, so dass fieberhafte Zustände oder Fieber auftreten können. Und Kinder, die mit Fieber schlecht umgehen können – es gibt ganz, ganz selten und ganz vereinzelt Kinder, die dann auch mit Krampfanfällen reagieren, entweder im Sinne eines Gelegenheitsanfalls, Fieberkrämpfe nennt man die, oder ganz seltene Formen von Epilepsien. Die sind da zu nennen, weil das in dem Alter vorkommen kann.«
Gibt es Auswirkungen auf die Entwicklung
»Wir kennen ja – das ist ja funktionell ein Totimpfstoff, das ist kein vermehrungsfähiges Virus. Und wir kennen ja eine Vielzahl von Impfstoffen, die Kindern verabreicht werden, wo wir keine Entwicklungsbeeinträchtigung beobachten. Funktionell habe ich deshalb gesagt: Ich weiß schon, das ist eine eigene Impfstoffklasse, die mRNA-Impfstoffe, aber von der Funktion her ist es ein Totimpfstoff. Das sage ich absichtlich. Damit man wegkommt von der ganzen Diskussion »Wir warten jetzt auf den heilsbringenden Novavax-Impfstoff!« – der im Übrigen noch viel weniger ausführlich geprüft ist wie die mRNA-Impfstoffe. Also das ist, finde ich, ein bisschen eine Schattenboxen-Diskussion und nicht so sehr eine Sachdiskussion.«
Warum wartet die Stiko?
»Ich glaube, die Stiko wartet nicht, sondern die Stiko macht das, was in dieser Situation geboten ist: Die Stiko prüft sehr sorgfältig alle Daten. Jetzt werden Sie sagen: Ja, warum kann man nicht mal eben fünf Seiten durchlesen und zu einem Ergebnis kommen? So ist es ja nicht. Das Sichten nimmt mit einer seriösen Auseinandersetzung einfach Zeit in Anspruch. Und ich finde Populismus und hektischer Aktionismus ist an dieser Stelle irgendwie auch fehl am Platz.«
Ist der Impfstoff in seiner Zusammensetzung und Dosis derselbe wie für Erwachsene?
»Man hat ja den Kinderimpfstoff deshalb so konstruiert, um die Nebenwirkungen zu verringern. Es ist also weniger Antigengehalt in der Spritze, in Anführungszeichen. Also das Nebenwirkungsprofil ist sicher ähnlich zu bewerten, allerdings angepasst auf die kindlichen Gewichts- und Größenverhältnisse.«
Brauchen Kinder auch mehrere Impfungen?
»Die Zulassung ist für zwei Impfungen erfolgt und da das funktionell ein Totimpfstoff ist, ist auch zu erwarten, dass eine Booster- oder Auffrischimpfung irgendwann angezeigt ist. Das ist das Wesen von Totimpfstoffen, dass sie aufgefrischt werden müssen.«
Wo kann ich mein Kind jetzt impfen lassen?
»Es gibt jetzt schon Impfärztinnen und -Ärzte, die gehen hin und nehmen so eine Erwachsenendosis und fabrizieren so Eigenimpfstoffe, indem sie das mit Kochsalz verdünnen und dann irgendwie die Hälfte oder ein Drittel davon nehmen. Davon rate ich ab. Weil man nicht weiß, wie es sich mit der Stabilität des Impfstoffs verhält und man auch nicht genau sagen kann, wie viel Antigen tatsächlich da drin ist. Ich verstehe, dass es Eltern gibt von wirklich schwerkranken Kindern, die sagen: Ich möchte maximale Protektion für mein Kind. Das ist vollkommen richtig. Aber auch da wieder der Hinweis: Dann gucken, dass die Eltern selbst geimpft sind und das ganze Umfeld geimpft ist.«
Sollte ich jetzt schon einen Termin vereinbaren?
»Ich finde, man sollte eine Stiko-Empfehlung abwarten. Ganz im Ernst. Und dann schauen, was sich daraus ergibt. Ich persönlich rechne damit, dass die Stiko vor dem Hintergrund der doch limitierten Daten aus der Zulassungsstudie vielleicht erst einmal eine Empfehlung ausspricht für die besonders gefährdeten Kinder und Jugendlichen mit einem Risikoprofil und dann für alle. Und ich empfehle, das abzuwarten und dann zu schauen: Kommt mein Kind für eine Impfung infrage? Und dann wird sicher auch schnell ein Termin verfügbar sein.«
Was, wenn der Kinderarzt gegen das Impfen Minderjähriger ist?
»Wenn anerkannte Fachleute zu einer Einschätzung kommen, dann finde ich, braucht man als Kinderarzt, der nicht impft, erst mal gute Argumente, warum man das alles doof findet und dann muss man im Zweifelsfall sich auch vielleicht einen anderen Arzt suchen.«